Artikel aus:       "In Hagen"

Ausgabe:          Nov. 2007

 

 

Prüfdienstleiter

Bernd Krause

kennt nicht nur

alle gängigen1_Bernd Krause.jpg

Ausreden,

sondern auch

traurige Fälle

 

 

 

 

„Guten Tag, bitte den Fahrausweis“

 

Der Prüfdienst der Hagener Straßenbahn ist täglich unterwegs. Egal ob in Dienstkleidung oder Zivil, sie sorgen dafür, dass möglichst keiner ohne gültigen Fahrausweis ist

 

"Der Job macht Spaß. Jeder Tag und jeder Bus ist anders", erklärt einer der Hagener Prüfer. Im Büro von Prüfdienstleiter Bernd Krause bespricht er einen Fall, bei dem am Tag zuvor eine Schülerin ohne gültigen Fahrausweis angetroffen wurde. "Schwarzfahren" - den Begriff gibt es hier nicht. Im Gegenteil, die Quote derjenigen, die ohne gültigen Fahrausweis unterwegs sind, ist deutlich gesunken. 39 Millionen "Beförderungsfälle" zählt die Hagener Straßenbahn AG jedes Jahr. 2004 hat man den Prüfdienst von 3 auf 14 fest angestellte Mitarbeiter aufgestockt, natür­lich aus wirtschaftlichen Erwägungen. Da­mit ging die Anzahl der Fahrten ohne gültigen Fahrausweis von einer Million auf circa 600000 jährlich zurück. Seit der Einführung des kontrollierten Einstiegs sank die Zahl erneut, diesmal auf 0,8 Prozent, sprich auf 300 000. Davon werden aber nur 3000 auch wirklich "erwischt",  denn es kann ja nicht jeder Fahrgast bei jeder Busfahrt kontrolliert werden. Wer ohne gül­tigen Fahrausweis angetroffen wird, riskiert ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 40 Euro. Gegen den Bescheid kann Beschwerde eingelegt und das personenbezogene Ticket innerhalb von 14 Tagen vorgelegt werden. Ist damit alles in Ordnung, fallen nur 2,50 Euro Bearbeitungsgebühr an.

 

Die beliebtesten Ausreden

 

Auch der kontrollierte Einstieg bietet natürlich noch Schlupflöcher. Aber spätestens bei den Fahrausweisprüfern ist Schluss, sie sehen alles. Das elektronische Lesegerät gibt ihnen genau Auskunft, ob das Ticket gültig oder eventuell gesperrt ist. Bei personenbezogenen Tickets gehört natürlich auch die Überprüfung der Personalien dazu. In zwei Schichten sind die Prüfer in Zweier- oder Dreier-Gruppen unterwegs. Mal in Dienstkleidung, mal in Zivil. Vor Dienstbeginn besprechen sie untereinander die Gebiete, die zur Überprüfung anliegen. "Schwerpunkt ist natürlich der Hauptbereich in der Innenstadt, und mehrmals im Jahr gibt es zusätzliche Schwerpunktkontrollen, bei denen auch Polizisten und Prüfer anderer Verkehrsbetriebe zum Einsatz kommen." Tickt1000 und Tickt2000 gibt es auch als preisgünstige 9-Uhr-Variante. Besonders geeignet für alle, die nicht früh arbeiten. Und auch beliebt als Ursache für die häufigste Ausrede, die die Prüfer zu hören bekommen. "Ich muss nur heute zum Arzt!" Aber auch für die eine Fahrt ist das Ticket ab 9 Uhr nun mal nicht um 7.30 Uhr gültig. Zweithäufigste Ausrede: Ich wusste ja gar nicht, dass das Ticket gesperrt ist" Aber damit kommt man auch nicht weit, denn bevor ein Ticket gesperrt wird, weil die

monatliche Gebühr nicht mehr gezahlt wird, werden Mahnungen versandt. „Natürlich gibt es auch schon mal tragische Fälle", erklärt Bernd Krause, „wie das Mädchen, das gar nicht wusste, dass die Eltern aus finanzieller Not das SchokoTicket schon seit Monaten nicht mehr bezahlen konnten." Oder die alzheimerkranke 80-Jährige, die mit dem seit Jahren ungültigen 4er-Ticket zu fahren versuchte.

 

 

Bild links:

Die Lesegeräte geben schnell Auskunft, ob die Tickets gültig u. bezahlt sind.

 

Bild rechts: Bernd Krause im Gespräch mit einem Prüfer.

 

 

Erschlichene Dienstleistung

 

Aber neben diesen Geschichten und dem schlichten Vergessen des Tickets, weil es noch in der anderen Jacke oder Tasche steckt, gibt es auch immer wieder die Versuche, schlicht und einfach zu betrügen. "Erschleichend von Leistung" heißt das im Amtsdeutsch. Und dazu zählt auch, wenn Bettina ihrer besten Freundin Monika das SchokoTicket gibt und die sich dann als Bettina ausgibt. Kein Bagatelldelikt, sondern eines, das die Hagener Straßenbahn AG der Polizei weitermeldet oder ein Strafverfahren einleiten lässt.

 

Immer cool bleiben

 

Auch die mutwillige Beschädigung der SchokoTickets fällt nicht unter „Dummejungen-streich„. Der Ticketrohling kostet acht Euro, dazu kommt der Aufwand, ihn zu erfassen und individuell zu bedrucken. Die zehn Euro, die für ein neues Ticket fällig werden, wenn das alte unlesbar geworden ist, sind also keine Schikane der Hagener Straßenbahn AG, sondern die realen Kosten. .,Mit der Bankkarte gehen Sie ja auch vorsichtig um", erklärt Bernd Krause, und die Abo-Ticket-Karten stellen eben auch einen Wert dar." Die 14 Prüfer, alle gelernte Busfahrer, haben neben einer Ticket-Schulung auch ein Deeskalationstraining absolviert. „Das hilft schon", grinst der -zugegebenermaßen recht große- Prüfer und kratzt sich seinen Bart. „Ich benutze das auch im privaten Bereich, man möchte ja nicht gleich so polternd rüberkommen.' Aber wenn's ernst wird, kann er auch anders, wie vor ein paar Monaten bei dem Junkie, der seinen Kollegen angriff.

 

Ein Tag ohne Beute

 

Und vor zwei Jahren half der Prüfdienst sogar bei der Verbrechensaufklärung. Damals überfiel ein junger Mann auf brutale Weise mehrere ältere Frauen und Männer in Hagen. Bei dem Versuch, daraufhin mit dem Ticket2000 eines seiner Opfer zu fahren, wurde er „erwischt': Das als gestohlen gemeldete und damit gesperrte Ticket überführte dann den Täter. Aber die besten Tage sind die ohne ,Beute", da sind sich Bernd Krause und seine Kollegen einig: Denn alles, was wir wollen ist ja nur, dass jeder der den Bus nimmt auch für diese Leistung zahlt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger."